Das Leben ein Fest > Zu sehen
You Are Woman, I Am Man, Let´s Kiss...
17.01.2016
Die Hauptfigur von „Funny Girl“ ist Fanny Brice, ein im jüdischen Viertel der New Yorker Lower East Side aufgewachsener Ziegfeld-Follies-Star der 20er Jahre. Für ihr Aussehen wurde sie gehänselt. Hässliches Entlein wurde sie getauft, weil ihre Beine zu kurz, ihre Nase zu krumm und ihr Gesichtsausdruck zu wenig zart waren. Doch sie konnte nichts auf dem Weg zum Ziel stoppen. Die Hänseleien und die „gesellschaftliche“ Meinung interessierten sie nicht, darauf sagte sie nur, dass die Schönheit vergänglich sei und ihr Talent bliebe ihr immer erhalten. Sie war immer fest davon überzeugt, dass sie der größte Star sei und einen besonderes Talent habe. „Du hast Selbstbewusstsein für zwei“, lobte die Mutter bei Entscheidungen ihrer Tochter. Fanny ließ ihren Kopf nie hängen.

New York, die „wilden 20er“, unanständige Partys mit Alkohol und Jazz. In Amerika wütet das Jazz-Fieber.

Das gefragteste und meistbesuchte Theater in New York ab 1907 war das "Ziegfeld Follies". Benannt nach dessen Produzenten Florenz Ziegfeld Jr., hatte es das Pariser Folies Bergére zum Vorbild. Die Vorstellung bestand aus einzelnen Nummern, die zusammen ein Programm ergaben. Viele berühmte Songs fanden ihren Ausgang hier, da das Theater damals noch das größte Verbreitungsmedium für Musik war. Ab dem Ende der 20er-Jahre verloren die Ziegfeld Follies an Bedeutung, da an deren Stelle der sich entwickelnde Tonfilm und das stark an einer abgeschlossenen Handlung orientierte „Book-Musical“ am Broadway kam.

Den Einstieg in das "Ziegfeld Follies" schafft Fanny ohne sich viel anzustrengen, was ihr auch am Anfang ein wenig den Kopf verdreht, den sie ist eine Kämpfernatur und will sich durchsetzen. Das schafft sie auch noch, als sie bei einer Vorstellung die Strophe „I am the beautiful reflection Of my love´s affection, A walking illustration Of his adoration.“ („Ich bin eine wunderschöne Widerspiegelung der Zuneigung meines Liebsten, ein anschaulicher Beweis seiner Verehrung“) nicht singen will, da diese für sie keinen Sinn ergibt. Da sie Florenz Ziegfeld unter der Drohung sein Theater zu verlassen, die Strophe jedoch singen lässt, entwickelt sie ihre eigene Interpretation, die sie erst während der Vorstellung präsentiert. Sie tritt zur aller Überraschung als schwangere Braut auf, eine Rolle, die sie auch später verkörpert und in der sie brilliert.
 

Zu erwachsen fürs Theater, zu kindisch fürs Leben

So viel Mut und Talent fürs Theater, so wenig Lebenstalent. Gleich zum Anfang ihrer Zeit in New York trifft sie „Nicky“ Arnstein. Im Gegensatz zu ihrem Theaterleben bleibt sie hier eine naive Träumerin. Denn das einzige, was sie nach diesem Treffen tut, ist von „Nicky“ Arnstein zu träumen und verzweifelt festzustellen: „Ich werde ihn nie wieder sehen“.

„You Are Woman, I Am Man, Let´s Kiss“ („Du bist eine Frau, ich bin ein Mann, küssen wir doch“) sollte eigentlich den natürlichen Vorgang der Anziehungskraft zwischen Mann und Frau, die keine Freunde sein können, vermitteln. Stattdessen überlegt sich Fanny, die unbedingt mit Nick sein will, was sie jetzt tun soll und geküsst wird erst, nachdem beide wie zwei verschreckte Kinder eine Unmenge an Alkohol konsumiert haben.

Einzig und alleine bleibt Fanny bodenständig und fest entschlossen, als sie Nicky nach New York und weiter nach Marocco folgen will und mit dieser ihrer Entscheidung ihre Karriere in Gefahr bringt, denn sie sollte mit den Ziegfeld Follies nach Chicago auf eine Tournee gehen. Aufgrund dieser Entscheidung brachte sie zwei Kinder von „Nicky“ auf die Welt, der Sohn William ist heute ein berühmter Maler.

Unter der Haube einer erfolgreichen Frau



Nick Arnstein, einst ein erfolgreicher Betrüger, Dieb, professioneller Spieler, fühlt sich unterdrückt und klein im Schatten seiner erfolgreichen Frau. Er fühlt sich auch machtlos, dass er nichts geben kann, was sie selbst nicht ohnehin hat. Seine Machtlosigkeit und seine vermeintliche Sinnlosigkeit machen ihn schwach und bringen ihn schlussendlich dazu, dass er sich dafür entscheidet, sich von Fanny zu trennen, um wieder zu sich zu finden. Fanny selbst realisiert, dass alle ihre Versuche, ihm zu helfen, einen Weg in die Selbständigkeit zu finden, gescheitert sind und sie ihm nicht helfen kann, sondern er muss selbst seinen Weg finden. Sie sagt ihm jedoch, dass seine Begierde, seine Liebe ihr Kraft gegeben haben zu kämpfen, ihr das Gefühl vermittelt haben sie sei etwas Besonderes, und darin sieht sie seine Rolle als Mann an ihrer Seite. Nick leidet trotzdem unter dem Gefühl, zuwenig Mann an ihrer Seite gewesen zu sein.
 


Who are you now,
Now that you're mine?
Are you something more
Than you were before?
Are you warmer in the rain,
Are you stronger for my touch,
Am I giving too little
By my lovin' you too much?
How is the view,
Sunny and green?
How do you compare it to
The views you've seen?
I know I am better, braver and surer too,
But you--are you now--
Who are you now?
Are you someone better for my love?
 
„Wo bist du jetzt,
Wo du mir gehörst?
Ist aus dir mehr geworden
Als du gewesen bist?
Ist dir wärmer beim Regen,
Haben dich meine Berührungen stark gemacht,
Gebe ich zu wenig
Indem ich dich so sehr liebe?
Wie ist die Aussicht,
Sonnig und grün?
Wie ist diese im Vergleich
Mit den Aussichten, die du je gesehen hast?
Ich weiß, dass ich besser, mutiger und sicherer geworden bin,
Aber du – bist du jetzt -
Wer bist du jetzt?
Bist du durch meine Liebe besser geworden?“


Das Originalmusical „Funny Girl“ mit der Besetzung von Barbra Straisand erhielt den Oscar für die beste weibliche Rolle, obwohl es für insgesamt acht nominiert war.

Die Premiere des Musicals „Funny Girl“ an der Grazer Oper, eine Koproduktion des Theaters Dortmund mit dem Staatstheater Nürnberg und dem Theater Chemnitz in der Regie von Stefan Huber ist unzweifelhaft auch einen Oscar wert. Frederike Haas in der Rolle der Fanny erweist sich als eine unschlagbar beste Wahl. So charmant, kindlich, erwachsen, elegant und ladyhaft verkörpert sie ihre Rolle des großen Ziegfeld-Follies-Stars. Ihre Jazz-Stimme mit einem tiefen innigen Klang macht sie so besonders.

Das Stück oder das Leben von Fanny Brice schien etwas der Realität entzogen zu sein. Denn die meisten Szenen spielten sich auf oder hinter der Bühne ab. Auch hinter der Bühne spielte Fanny ihre Rollen: einer Mutter, einer Ehefrau, einer Tochter.

VS

Bühnenfotos: Werner Kmetitsch

die-frau.at