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Heirat ist ein sozialer Vertrag, wo der Punkt Sex nicht dabei ist
30.03.2012
Ich fange meinen Artikel über die Premiere von dem Theaterstück „Engaging Shaw“ im Vienna´s English Theater(Regie von Andrew Hall) mit der Geschichte der Entstehung des Theaters. Auch wenn ich und weitere an dem Feier Beteiligten davon erst beim Premierfeier erfahren habe, finde ich diese Geschichte so romantisch und einfühlungsreich, dass ich den Leser auf die nicht bis zum letzten Absatz warten lassen will. Davon erzählt uns Doris Steinböck, die vor 15 Jahren die Führung des Theaters übernommen hat. Zu Hören bekommt man die Liebesgeschichte ihrer Eltern. Ihre Mutter kam nach Österreich als eine angehende amerikanische Schauspielerin, die Europa kennenlernen wollte. Im mit sagenumworbenen „Havelka“ trifft sie den Vater von Doris. Beide heiraten und weiteres blablabla… Doch die engagierte Schauspielerin bekommt keine Rolle in Österreich, weil ihr Deutsch nicht gut genug ist. Somit entscheidet sie sich nach Amerika zurückzukehren und dort weiter zu schauspielern. Ihr Ehemann ist wiederum der englischen Sprache nicht gerade gewandt. Will aber trotzdem diese Frau nicht gehen sehen. Daher erleuchtet ihm die verblüffende Idee: sie soll ein Theater mitten in Wien eröffnen, wo für den amerikanischen Touristen gespielt wird. Sie findet die Idee brillant und schlüpft als Erstes in einen weißen „Braut“kleid in die Hauptrolle des als erstes aufgeführten Stückes. Ihr Mann übernimmt die Ausstattung vom Licht. Für die zweite Rolle bekamen sie einen amerikanischen Schauspieler. Seit 42 Jahren gibt der Erfolg immer noch von sich zu wissen. Überraschend mehr und mehr Besucher gibt es unter der für die neuen Sprachen und Kulturen offenen österreichischen Bevölkerung. Heutzutage ist die Kontingenz eher mehr mit dem reiferen Publikum besetzt. Einige Schüler sind auch dabei. Diese lassen sich die Stunden als den freien Pflichtfach anrechnen. Diskutiert wird eher auf Deutsch. Jedoch bei der Premierfeier, bei dem sich mehrere Mitglieder des Austro-British Society, die den kleinen Verein finanziell unterstützt, aufeinander treffen, wird fleißig Englisch geübt. Die Schauspieler kommen genau für zwei Monaten nach Wien, um „sich zu zeigen und die Welt zu sehen“ und genau so viel Zeit hat der Besucher sich das jeweilige Stück anzuschauen.

Jedes Mal aufs Neue lasse ich mich von dem guten strengen und eleganten Brit Chic verführen. Der Saal, die Dekorationen und die Kostüme des Stückes „Engaging Shaw“ verleiten einen gerade dazu. Gleich denkt man zurück an das 19. Jahrhundert, an den damaligen Chic, das hohe Benehmen, ausgedachte Huttracht und gerade adelige Haltung. Man lässt sich verführen und schaut sich so Einiges ab, lernt was dazu. Vielmehr verblasst das ganze hohe Feeling, wenn man die davor noch so schick und pompös gekleideten Damen im Casual Style kleidet, ohne Stöckelschuhe und lässig und ungezwungen mit  dem Publikum plaudernd sieht. Hier fällt der Vorhang hinunter. Moderne Großbritannien lässt grüßen. Man merkt nicht nur am Stück, sondern an der Mundart, der Kleidung, dem Benehmen der Schauspieler, wie sich die englischen Vorstellungen von denen eines Österreichers oder einer Ukrainerin unterscheiden.

Eine Frau sollte entweder günstig heiraten oder sich einen Job suchen, predigt Shaw(Robin Kingsland) im Theaterstück „Engaging Shaw“. Beides wird sie nie schaffen. Im 19. Jahrhundert vielleicht. Heute sieht man, dass für eine moderne Frau „Multitasking“ kein Fremdwort mehr ist.

Ob eine Frau aus dem 19. Jahrhundert, wie Charlotte Payne-Townshend(Amanda Osborne) oder Beatrice Webb(Shuna Snow)  oder eine moderne Frau, die aus Großbrittanien stammt, zeigt sich als eine selbständige, Freiheit anstrebende, starke Frau, die weiß, was sie will und wie das auch zu erreichen ist. Auch Frauen, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich gerichtet haben, ergattern immer mehr Bereiche, wo sie ihren Standpunkt vertreten, sich engagieren und selbständig agieren.

Trotz der versprochenen Freiheit in einer Beziehung, wo es nur um Sex geht, strebt Charlotte dann plötzlich und ganz unerwartet eine Heirat mit Shaw an. Warum will sie ihn somit zügeln, kommt aus ihrer Angst, sie könnte somit nicht mehr die beste und besondere Frau für ihn sein, hervor. Warum will eine Frau für den Mann wichtig sein? Mangelt ihr am Selbstbewusstsein? Im Stück ist die britische Sicht einer Ehe, nämlich die gleichgestellte Partnerschaft, die man am Beispiel von Beatrice und Sidney Webb(Charles Armstrong) sieht, dargestellt. Durch die sexuelle Beziehung kann man dieses Ziel nicht ergattern, denn dann ist die Frau sexuell abhängig, da der Mann zu entscheidet hat, wann, wo und wie der noch?! „ sexueller“ Akt stattfindet. Das Stück propagiert also Heirat als die Möglichkeit die Gleichwertigkeit zwischen Mann und Frau zu erreichen. Ohne Sex, natürlich.

Conclusio: die Gesellschaft schreibt uns die Spielregeln vor. Sex gehört zur Natur.  Wird er eliminiert, wird die Menschheit deutlich schrumpfen. Braucht eine Frau einen Mann zum Zwecke der Kindeszeugung, wird sie im Mann kein Kind suchen. Somit fällt das Bedürfnis diesen an sich zu binden ab und die ganze Geschichte mit der Heirat ist kein Thema mehr.

„Engagin Shaw“ wird bis zum 5. Mai an allen Tagen, außer Sonntag im Vienna´s Englisch Theater gespielt.

Varvara Shcherbak

die-frau.at