In der ersten Kennenlernphase, in welcher zwei Menschen schon eindeutig mehr sind als Freunde, aber noch weniger als ein Paar, ist man ein Mingle. Das ist eine Wortneuschöpfung aus „Mixed“ und „Single“. Es wurde für notwendig befunden, diesen Begriff zu erschaffen, da sich diese Zwischenphase immer mehr als Langzeitstatus entpuppt.
Zukunftsforscher meinen einen eindeutigen Trend dahingehend auszumachen, dass diese unverbindlichen Beziehungsmodelle im Vormarsch sind.
Durch die Social Media- und Online Dating-Plattformen sind die Möglichkeiten, DEN perfekten Partner zu finden vermeintlich ins Unendliche gestiegen. Der Gedanke vom Spatz in der Hand, der besser ist als die Taube auf dem Dach wird tendenziell verworfen. In der modernen Welt haben örtliche Distanzen kaum mehr Bedeutung. Das Kennenlernen über das Internet funktioniert rasend schnell und die Menschen sind gleichzeitig viel mobiler als noch vor einigen Jahren.
Eigentlich bedeutet Mingle nichts anderes, als dass man sich nicht sicher ist, ob der Partner wirklich das Gelbe vom Ei ist. Um sich aber abzusichern bleibt man zumindest eine Zeit lang beim aktuellen Partner, ohne davon auszugehen, dass dieser der Jackpot sein könnte.
Warten auf Godot.
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En attendant Godot“ ist ein Theaterstück von Samuel Beckett. In diesem Beispiel des Theaters des Absurden warten die Hauptfiguren auf einen Godot, den sie nicht kennen, und von dem sie nicht einmal wissen, ob es ihn überhaupt gibt. Tatsächlich taucht Godot bis zum Schluss nie auf.
Mit der knackigen Bezeichnung Mingle outet sich ein Gutteil der Bevölkerung als Protagonist eines absurden Theaters. In Erwartung einer idealisierten Phantasiegestalt schrammt der Mingle an der Realität und wahren Emotionen vorbei. Romantische Vorstellungen, die in Hollywood Filmen präsentiert werden, nimmt der Mingle für bare Münze und hofft auf Erfüllung seiner Weichzeichner-Träume per Mouse-Klick.
Dabei ist gar nicht gesagt, dass man sich für schlimmer und ewig an einen Partner binden muss. Der Partner, welcher in der aktuellen Lebenssituation perfekt ist, muss es nicht auch noch Jahre später sein. Das Leben ist im besten Falle ein ständiger Entwicklungsprozess. Da dürfen sich ruhig auch die Partner verändern.
Es scheint so, als wolle der Mingle seine Freiheit nicht zur Gänze aufgeben, aber dennoch den sicheren Hafen einer Beziehung als Ass im Ärmel haben. Es könnte ja sein, dass der Cyber-Prinz doch nur ein Frosch ist. Da steht dann der oben genannte Spatz in der Hand doch wieder hoch im Kurs.
Die Parship-Psychologin Caroline Erb wurde dazu befragt, ob das Mingle-Dasein auf Dauer glücklich machen könne. Nachdem sie für eine Partnervermittlungseinrichtung tätig ist, bestätigt sie postwendend, dass es natürlich langfristig nicht zum großen persönlichen Glück führt. Richtigerweise allerdings gibt sie zu bedenken, dass die krankhafte Suche nach Mr oder Mrs. Perfect dazu führt, dass dem aktuellen Not-Partner gar nicht die Chance gegeben wird, der oder die Richtige zu sein.
Es scheint so zu sein, dass der Mingle schlicht und einfach mit dem oder der Falschen zusammen ist, bzw. dass völlig falsche Anforderungen an eine Beziehung gestellt werden.
Unplugged
Eine Frau muss sich ganz klar für den Besten entscheiden. Der Beste kann durchaus morgen schon ein anderer sein, aber im Moment, muss dieses Kriterium erfüllt werden. Es werden jetzt Einwände kommen, dass jeder andere Maßstäbe an eine Beziehung anlegt. Genau das ist das Problem. Eine Frau wählt von Natur aus die besten Gene aus, um für gesunde Nachkommen zu sorgen. Ein Mann hat die Aufgabe, sich um viele Frauen zu bemühen und mit ihnen Kinder zu zeugen, um die Verbreitung seiner Gene zu gewährleisten.
Männer bemühen sich um Frauen. Frauen wählen mit Bedacht. In dieser an die Natur angelehnte Betrachtungsweise bleibt gar kein Raum für den Mingle. Die Mingle-Frau vergeudet ihre kostbare Lebenszeit mit dem potenziell Falschen bzw. sind die Mingle Männer gestresst, weil sie sich für eine einzige Partnerin entscheiden sollen, worauf sie gar nicht programmiert sind.
Anstatt dauernd zu versuchen uns umzuprogrammieren, sollten die Menschen sich einfach unpluggen und den Schritt back to the roots wagen. Einen Versuch ist es allemal wert.
KWH
Titelbild: Leveque Auguste, "Das Liebespaar", 1918. (zugeschnitten)
Bild im Text: Otto Müller, "Liebespaar".