Unter dem NS-Regime sollten Geburten in Konzentrationslagern vermieden werden – entweder wurden die Mütter zur Abtreibung gezwungen oder umgebracht. Und doch gab es Geburten im KZ.
Es ist fast ein Wunder, dass Hana Berger-Moran am Leben ist. Die heute 65-jährige wurde am 12. April 1945, dem Tag vor der Evakuierung, im KZ Freiberg geboren. „Evakuierung“, das hieß in den letzten Tagen des Hitler-Regimes: Die KZ-Häftlinge wurden in qualvollen Todesmärschen in Lager getrieben, die noch nicht vor der Einnahme durch die Rote Armee oder durch US-Truppen standen.
Hanas Mutter, die Tschechin Priska Löwenbein, erinnerte sich mit folgenden Worten an die Geburt: „Meine Tochter ist am 12.April 1945, einem Donnerstagnachmittag, fünf Minuten nach dreiviertel vier Uhr im Revier der Baracke der Gefangenen in Freiberg geboren. Diesem Ereignis haben mehrere Aufseherinnen – auch die Lagerälteste – zugeschaut. Am 14. April morgens haben wir die Stadt mit einigen SS-Männern und Aufseherinnen und einem Unterscharführer verlassen. Wir waren 17 Tage unterwegs.“
Das Ziel der insgesamt 2200 weiblichen Häftlinge aus Freiberg hieß Mauthausen. Am 29. April 1945 kamen Mutter und Baby in Mauthausen an – halb verhungert, ausgemergelt, dem Tode geweiht. Aber noch am Leben. Von den 2200 Frauen überlebten nur 120 den 17 Tage andauernden Todesmarsch.
Bis zum 29. April wurden noch Häftlinge in den Gaskammern Mauthausens ermordet. Ein Schicksal, das vermutlich auch Priska Löwenbein und ihre Tochter ereilt hätte, wären sie nur einen Tag früher angekommen.
Die SS-Wachen bereiteten angesichts der anrückenden Alliierten ihre Flucht vor.Sie richteten noch bis zum 3. Mai 1945 Häftlinge hin, vor allem jene, die in Krematorien arbeiten mussten, so genannte „Geheimnisträger“. Am 5. Mai aber wurde eine Patrouille der 11. Panzerdivision der 3. US-Armee auf das Lager in Mauthausen aufmerksam. Zwei Tage später fand der damals 23-jährige Sanitäter LeRoy Petersohn eine völlig entkräftete Frau mit einem wenige Tage alten Baby: Priska und Hana. Eine sofort durchgeführte Operation rettete der schwer erkrankten Hana das Leben.
Heute lebt Hana Berger-Moran in Kalifornien und ist Doktorin der Pharmazie. Ihren Retter LeRoy Petersohn fand sie erst im Jahr 2003 mit Hilfe der Homepage der 11. Panzerdivision (www.11tharmoreddivision.com). Getroffen hat sie ihn zum ersten Mal bei der Gedenkfeier zum 60. Jahrestag der Befreiung in Mauthausen im Jahr 2005. Auch in diesem Jahr wird sie bei der Befreiungsfeier erwartet.
Mehr als 10.000 Besucher/innen aus ganz Europa werden am Sonntag in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen erwartet, wenn der Befreiung des Nazi-Konzentrationslagers durch die Alliierten vor 65 Jahren gedacht wird. Die vom Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) veranstaltete Gedenkfeier steht im Zeichen der Erinnerung an die Tausenden an Kindern und Jugendlichen, die im KZ Mauthausen Opfer des NS-Regimes wurden.
Ehrengäste der Gedenk- und Befreiungsfeier am Sonntag, ab 11 Uhr, sind Bundeskanzler Werner Faymann, NR-Präsidentin Barbara Prammer sowie als Repräsentantin des EU-Ratsvorsitzlandes die spanische Vizepräsidentin Maria Teresa Fernández de la Vega.
Passend zum Schwerpunktthema der diesjährigen Gedenkfeiern werden sich Überlebende des KZ Mauthausen aus vier Ländern, die als sehr junge Menschen die Gräuel eines Konzentrationslagers erleben mussten, in kurzen Statements an die Jugend von heute wenden, damit sie ihr Erbe weitertragen und entschieden gegen jegliche Form des Faschismus, der Intoleranz und der Menschenfeindlichkeit auftreten und die Werte der Freiheit und Demokratie schützen möge.
Infos: www.mkoe.at
(mf)
Foto: USHMM