Für viele gilt Reinhard P. Gruber als der beste literarische Beobachter der Steiermark. Als „die“ literarische Stimme der Steirer zieht er die Einheimischen bei seinen vielen Lesungen immer wieder in Scharen an und lässt sie über ihre Eigenheiten und Schrullen lachen. Diesmal globalisiert der praktizierende „Leicht“-Athlet bzw. der Mann des sport light seinen Stoff. Heimische ebenso wie fremde Übungen der Leiber, Schwammerlsuchen oder Wandern von einer Buschenschank zur andern werden ebenso angepfiffen wie eine Wüstenrallye in Australien oder ein Match für Fußball-Connaisseure in England. Auch der Betrachtungswinkel wird umfassend, führt Gruber doch Themen wie Dopingfreigabe oder Gott im Sport ebenso pointiert und freigeistig vor wie Fußball in China oder die Siege und Niederlagen von Sturm Graz und Links Rechts Stawiz. Beim Lesen fällt der geneigte Leser mitunter in eine neue Sportart: in das Tränenlachen, so satirisch und witzig wird hier mit Worten Super-G(ruber) gefahren. Lach-Bestzeit hat der TV-Live-Kommentar von Hansi Hinterseer zu einem Schi-Rennen in Kitzbühel in bärigem Tirolerisch. Das Lachen aber vergeht einem, wenn die Manie der möglichst vielen Messdaten in Gestalt von Netto-Zeit und TV-Wiederholungen oder das Beschütten des Cornerschießers mit Bier gegeißelt werden. Doch ist es nicht so, dass das fanatische Interesse am Sport, wie es die Stadion- und Fernsehmassen und wohl auch Gruber haben, selbst solche, besonders für Alteingesessene dubiose Neuerungen heraufbeschwört? Eine Lücke indes hat diese Sport-Revue: Frauenfußball war bis 2007 offenbar noch kein Thema.
Grubers literarische Glossen, die ursprünglich für eine österreichweite Tageszeitung geschrieben wurden, speisen sich aus Beobachten und eigenem Erleben.Wer „nur“ am Nabel des Volkes hängt, erfindet keine Geschichten und schmiedet keine Erzählstränge. Vielmehr wird in dieser „kleinen“ Form der Satire, der Glosse, die Realität in einzelne Teile zerlegt und diese werden einander in neuer Konstellation spitzfindig gegenüber gestellt. Aus dem Kontrast und der Verschiebung der Perspektive entsteht der Witz. Schließlich werden alltägliche Vorkommnisse des Sportlebens, etwa die Selbstbeweihräucherung der Sport-Journalisten und Experten, überzeichnet. Wie man beizeiten eine Gefahr als einen Teufel an die Wand malt, so malt Gruber (Un-)Dinge des Sports an die Wand und tut damit der Phantasie Genüge. Es sind eingängige Satiren ohne den sonst unvermeidlichen linkskabarettistischen Einschlag, auffällig politikfrei bis auf den Splitter von „roten“ Naturfreunden und „schwarzem“ Alpenverein. Gelüftet werden (offene) Geheimnisse der Sucht nach Sport-Events: Das Wir-Gefühl der Fans zählt weit mehr als etwaige körperliche Kunststücke, der Aufstieg und Fall eines Sport-Superstars ersetzt volldramatisch das Schicksal des Odysseus. Zum Schluss stellt sich einem die Elfer-Frage: Warum gibt es sie noch nicht in der Realität – Sportarten, bei denen Satiriker die Trainer sind und nicht alles todernst ist?
Walter Hoch
Reinhard P. Gruber: Alles Sport. Graz 2008, Droschl Verlag. 214 S.