Was sind die Gründe, die genannt werden, dass die Kindergartenpflicht einzuführen sei?
Wurde zuallererst noch gesagt, es ginge um Integration der Kinder von Migranten, hat man schnell andere Gründe gefunden. Es wäre schlichtweg Diskriminierung der Kinder mit Deutsch als Muttersprache, diese dafür einzusetzen, als Medien zur Spracherlernung zu fungieren.
Man musste also schnell einen anderen Grund finden: Zielsetzung dieser Vereinbarung ist es, allen Kindern beste Bildungsmöglichkeiten und Startchancen in das spätere Berufsleben unabhängig von ihrer sozio-ökonomischen Herkunft zu bieten. Die Ebnung zum beruflichen Erfolg scheint den Politikern somit also gesichert zu sein. Doch was ist mit den Startchancen für die emotionale Gesundheit?
Glaubt man heutzutage ernsthaft, ein zweijähriges Kind von der Mutter zu lösen, wäre ein guter Start in Richtung glückliches und sorgenfreies Leben? Was ist mit Müttern, die selbstständig sind und die Möglichkeit haben, ihr Kind bei sich zu haben? Müssen diese ihr Kind auch wegschicken? Wo bleibt da die so oft geforderte soziale Gerechtigkeit? Außerdem soll nach erprobten Methoden der Kleinkindpädagogik die Erreichung der Schulfähigkeit unterstützt werden.
Was heißt „Schulfähigkeit“? Ist es die Eigenschaft, sich dem Willen vieler zu fügen, still zu sitzen, den Mund zu halten und seine Pflicht zu tun? Anders ist es in der Schule nun mal nicht möglich. Andernfalls würden ja alle 20 Kinder durcheinander reden.
Das Argument, dass man Kinder im Kindergartenalter auch zu Hause unterrichten kann, wenn die richtigen Voraussetzungen da sind, funktioniert insofern nicht, da man, wenn man sein Kind nicht im Kindergarten "abgeben" will, man vorher mit seinem Spross zur psychologischen Begutachtung gehen muss.
Wer zumindest ein bisschen Menschenverstand besitzt, wird einsehen, dass dies sowohl für Mutter als auch Kind eine Belastung darstellen muss. Als abnormer "Misfit" behandelt zu werden, weil man sein Kind zu Hause unterrichten will, ist vor allem für die Mütter von Homeschool-Kids unzumutbar. Dass sich diese Belastung und Druck auf die Mutter schlecht auf das Kind auswirkt, dürfte klar sein. Auch wenn das Kind wahrscheinlich nicht nur am Rande versteht, warum es zum Psychologen muss, ist die Mutter mit 100% iger Wahrscheinlichkeit durch die Begutachtung gestresst.
Man muss nur mit offenen Augen durch die Welt gehen und sich einmal in der Straßenbahn umsehen. Überall sieht man Kinder, gefesselt und geknebelt – ich verwende ganz bewusst diese Ausdrücke, denn nichts anderes sind Kinderwagen und Schnuller. Haben Sie schon einmal versucht, ein Kind, das gewohnt ist, sich frei zu bewegen, in einen Kinderwagen zu setzen und anzuschnallen? Und wenn es sich beschwert, dass es gefesselt wird, wird ihm halt der Schnuller - der Knebel - in den Mund gesteckt.
Die Anleitung „Wie wird mein Kind schulfähig?“ gibt wieder, wie es sein sollte: Kinder tun lassen, sich nicht gleich einmischen, in Entscheidungen einbinden, z.B. in der Küche mithelfen lassen, das Kind eigenverantwortlich entscheiden lassen. Wie es tatsächlich in Schule und Kindergarten aussieht, wissen wir alle. Warum werden also Kinder trotzdem in diese Einrichtungen geschickt?
Wenn man ganz explizit danach fragt, welchen Grund es dafür gibt, sein Kind in den Kindergarten zu schicken, fällt - trotz der klaren Aussage der Politik, dass es um Bildungschancen geht - ein ganz anderer Begriff: Das Unwort „Soziale Kompetenz“.
Müssen Kinder soziale Kompetenz erst erlernen? Ist der Mensch an sich nicht ein Herdentier und trägt die Fähigkeit, mit sich und anderen richtig umzugehen, schon in sich? Wollen wissen, erfahren, spüren? Würde man ein Bonobobaby (Anm.: Die genetische Übereinstimmung zwischen Mensch und Bonobo beträgt 99%.) in den Kindergarten schicken?
Gibt es am Spielplatz nicht die Möglichkeit, andere Kinder zu treffen? Heißt, sein Kind bei sich haben zu wollen, es abzuschotten? Das mag vielleicht für Religionsfanatiker gelten, die ihr Kind von der Gesellschaft Andersgläubiger abschotten wollen, aber hat der Staat damit gleich das Recht, alle "Heimerzieher" in einen Topf zu schmeißen?
Es gibt niemanden, der meint, das Erziehungssystem in Österreich wäre so gut ausgebaut, dass jedem einzelnen Kind die bestmögliche Bildungschance zuteil wird. Sprich, nicht genügend Plätze, zu viele Kinder fallen auf einen Pädagogen. Die anzuführenden Mängel sind zahllos.
Und: Soweit ich es beurteilen kann, hat meine Anwesenheit im Kindergarten meine so genannte soziale Kompetenz nicht positiv beeinflusst. Wenn man unter soziale Kompetenz versteht, auf Menschen zuzugehen, so zu kommunizieren, dass man verstanden wird, seine Wünsche und Meinung zu wissen und äußern zu können und für seine Wünsche und Bedürfnisse einzutreten, dann hat der Kindergarten sein Ziel bei seinen Teilnehmern verfehlt.
Wenn man hingegen unter sozialer Kompetenz versteht, dass man das tut, was einem gesagt wird, seinen Mund hält, obwohl man seine Meinung sagen will, aus Angst, man könnte sein Gegenüber verärgern, anderen ihre Wünsche erfüllt, solange, bis man nicht mehr weiß, was man eigentlich selbst will, dann haben beide Bildungsanstalten gute Arbeit geleistet.
Im Merkblatt zur einjährigen Kindergartenpflicht ist festgehalten, dass die Kinder pünktlich und regelmäßig den Kindergarten zu besuchen haben. Da werden Kleinkinder (!) zur „Arbeit“ geschickt, haben Urlaub und Pflichten, müssen pünktlich zur angegeben Zeit kommen und müssen dort Dinge tun, die sie eigentlich gar nicht tun wollen, Nicht-Gehorsam wird – in Form von Geldstrafen bei unentschuldigtem Fehlen - bestraft. Und das alles zum Wohl der Gemeinschaft?
Habe ich kein Recht mehr darauf, mit meinem Kind zusammen zu sein und auf seine Bedürfnisse einzugehen? Müssen Kinder darauf getrimmt werden, fleißige Arbeiter zu werden, die pünktlichst kommen und gehen, Urlaub von der ach so anstrengenden Arbeit nehmen müssen, und eigentlich ganz wo anders sein wollen?
Es gibt immer wieder die Situation, dass Kinder nicht in den Kindergarten gehen wollen, schreien und weinen, sich wortwörtlich an der Mutter festkrallen, wenn sie in den Kindergarten gebracht werden. Sie wollen lieber bei der Mutter bleiben – warum? Ist das nicht normal? Warum wird das so ausgelegt, dass die Mutter ihr Kind verwöhnt? Kann man ein Kind zu sehr mit körperlicher und emotionaler Nähe verwöhnen?
Damit mein Kind später einmal ein emotionaler Krüppel wird? Wenn man für längere Zeit das tut, was andere wollen, weiß man irgendwann nicht mehr, was man selbst eigentlich will.
Warum wird Müttern von deren Umfeld eingeredet, sie müssten ihr Kind entwöhnen? Das Natürlichste der Welt ist doch, dass ein Kind bei seiner Mutter ist und sein will. Dass das nicht immer möglich oder zumindest schwer ist, rechtfertigt nicht die Verletzungen des Kindes. Kann man damit leben, dass das eigene Kind so schwer geschädigt wird, dass es früher oder später verlernen wird, was es will, weil es so lange das getan hat, was andere von ihm wollten?
Jeder kennt das Bild „Madonna mit Kind“, doch niemand legt diesen Eindruck auf die eigene Lebenssituation um. Die mütterlichen Instinkte wurden so lange verkümmert, unterdrückt und verdrängt, dass so etwas wie das eigene Kind weg zu geben, fertig gebracht wird. Keine Mutter will ihrem Kind etwas Böses – und doch passieren Dinge, die in der freien Natur nicht vorstellbar wären.
Sind wir schon so degeneriert, dass wir unsere eigenen Kinder loswerden wollen und unsere Instinkte dermaßen vergewaltigen?
Überall, wo ich mich umhöre, höre ich das Argument, Kindergarten und Schule seien wichtig, um Kontakte zu knüpfen. Eine Fähigkeit, die mir bis heute nicht gegeben ist. Und das, obwohl ich ordnungsgemäß und gesellschaftskonform durch Kindergarten und Schule in die Gesellschaft eingegliedert wurde. Und allein die Tatsache, dass man „Vorbereitung“ auf die Schule braucht, wie es erwähnt wird, wenn man die Frage stellt, warum es die Kindergartenpflicht geben soll, sagt schon viel darüber aus, wie unnatürlich das Bildungssystem ist.
Natürlich gibt es leider viele Kinder, die von ihren Müttern einfach nur vor den Fernseher gesetzt werden, um die sich nicht gekümmert wird, denen das fehlt, was eigentlich das Natürlichste der Welt sein müsste: Die Zuwendung, Aufmerksamkeit und Liebe der Mutter. Für diese Kinder ist es also eine Verbesserung, wenn sie nicht mehr nur zuhause sind, sondern in den Kindergarten kommen, so schlimm das auch klingen mag. Doch deswegen alle Kinder in einen Topf zu werfen und den Kindergarten verpflichtend zu machen, kann doch auch nicht die Lösung sein. Wer kann, der wehre sich gegen das MUSS. Mit dem ganz klaren Wunsch unseren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen.
(ss)
Titelbild: Balloo; Fotos: Deutsches Bundesarchiv; Jacqueline Godany
Zweiter Teil:
Formt die Schule unsere Arbeitsmoral?