Ein gewöhnliches Telefongespräch zwischen Mutter und Tochter:
Tochter ruft die Mutter an, Mutter erzählt alles über sich, Tochter hört zu. Wenn ich dann anfange, ihr über mich zu erzählen, sagt sie, dass sie keine Zeit hat und schon los muss. So redet die Mutter ihrer Tochter mit Vorwürfen die Ohren voll: „Sie denkt nicht an ihre Mitmenschen, hat kein Mitgefühl, ruft ihre alte Mutter viel zu selten an, hilft ihr nicht im Garten. Nicht einmal das Grab ihres Vaters interessiert sie. Sie ist nur egoistisch, selbstsüchtig und präpotent." Mutter setzt das Jammern fort. Und es hört kurz auf, nachdem die Mutter die Finger auf den Computertasten klopfen hört. „Hörst du mir überhaupt zu?“, fragt sie ihre Tochter, die mittlerweile durch das Jammern total genervt ist. Nadina nimmt ihre Hände weg von der Tastatur und führt den Hörer rasch ans Ohr: „Natürlich, Mama!“ Sie sollte sich lieber von ihrer tüchtigen Tante etwas abschauen. Zum Beispiel „Nein!“ und „Soll ich meine Zeit verscheißen und mir diesen Müll anhören?“ sagen. Leider gehört dieses Verhalten nicht zur Familienetikette. In einer Familie will jedes Mitglied gehört und verstanden werden. Und jeder hat gegenüber dem anderen eine „Pflicht“, wie ein Pfarrer, sich seine Sorgen anzuhören. Auch wenn zu 99 Prozent Durchzug in den Ohren herrscht.
Woher stammt dieser Wahn, alles verändern zu wollen?
Eine mögliche Lösung der oben beschriebenen Situation wäre z.B., dass die Frau ihre Schwester selbst anruft, wenn sie einen inneren Bedarf hat mit ihr zu reden. Gleich beim Anruf wird ein Fehler gemacht indem sie das Gegenüber gleich fragt „Wie geht´s? Was gibt´s Neues?“ Diese Frage stellt man nicht, weil man wissen will, was im Leben des/derjenigen passiert ist, der/die angerufen wird, sondern weil man in den meisten Fällen unsicher ist, wie man denn das Gespräch anfangen soll. Soll man gleich zur Sache kommen oder soll man zuerst etwas persönlicher anfangen? Phantasie- und Verantwortungslosigkeit machen einen selbst zum Opfer. Denn der Gesprächspartner, der bereits den ganzen Tag darauf wartet, einem darüber zu erzählen, wie unfair der Chef, der jeden Tag am Ende eines Arbeitstages noch mehr Aufgaben nachschiebt ist, hat jetzt endlich ein „offenes Ohr“ gefunden. Und was machen wir? Wir hören zu. Das Einzige, was von uns selbst noch zu hören ist, ist, dass sich jede zwei Minuten wiederholende „Ja, Ja“ als Bestätigung dafür, dass wir noch dran sind. Ob wir dabei tatsächlich zuhören oder nicht, interessiert unseren Gesprächspartner dann wieder nicht mehr. Wenn er schon angefangen hat, redet er sich aus. Und dann kann man eh noch mal alles von vorne erzählen, sollte ein „wichtiges“ Detail vergessen worden sein. Meistens hört das Gespräch relativ abrupt auf. Es bleibt ein unbefriedigendes Gefühl, dass man das, warum man eigentlich angerufen hat, gar nicht angesprochen hat. Die Sachen bleiben unangesprochen und man hat im Endeffekt nur Zeit verschwendet.
Man hat dem anderen sein „Ohr“ geschenkt, für sich selbst nichts erledigt. Wenn sich jedoch einer dafür entscheidet, sich „aufzuopfern“, dann ist es schließlich seine/ihre eigene Entscheidung. Wenn man reden will, soll man reden und nicht warten, bis man gefragt, angerufen etc. wird. Um sich anschließend darüber zu ärgern, dass man nicht gefragt wurde.
Wir machen unser Leben viel zu sehr von Erwartungen und Hoffnungen abhängig. Anstatt zum Supermarkt zu gehen und schnell noch für das Mittagessen einen Balsamico zu kaufen, isst man den Salat mit einem Apfelessig gewürzt. Mithilfe solch banaler Beispiele kann man merken, wie abstrus man oft agiert und vor allem die eigenen Interessen vernachlässigt bleiben.
Durch die Veränderung der eigenen Verhaltensweise trägt man automatisch zur Veränderung der gesamten Umwelt bei.
Man will immer die ganze Welt verändern. Da fängt man mit der nächsten Verwandtschaft an. Man kennt russische Omas, die nichts tun, außer sich jeden Tag auf eine Bank neben dem Haus zu setzen und unaufhörlich über ihre Nachbarschaft tratschen. Sie tauschen sich aus, wer welche Fehler macht und wie schlecht das Leben des einen oder einer anderen sich anfühlt. Wer will schon mit seinen 18 oder 20 Jahren das Leben dieser Omas leben? Vielleicht ist es viel notwendiger bei sich selbst die Fehler zu suchen und sich selbst zu verändern, um aus dem eigenen Leben etwas Besseres zu machen, um unseren eigenen Kindern eine bessere Zukunft bieten zu können als auf einer Bank neben anderen Unzufriedenen über Gott und die Welt zu tuscheln.
Jede Veränderung fängt bei sich selbst an. Jeder, der sich selbst verändert, trägt bereits damit einen ungeheuren Beitrag in die Entwicklung der gesamten Menschheit bei. Vor allem betrifft dieser Spruch den weiblichen Teil der Bevölkerung. Denn Frauen werden Mütter und geben ihr Denken und Fühlen an ihre Kinder weiter. Wenn sich eine Frau verändert und dies zu ihrer eigenen Zufriedenheit und zum Wohl aller anderen, es schafft ihrem Kind eine gute Zukunft zu gewähren, so gibt sie dieses Beispiel als eine „genetische Veranlagung“ weiter.
Wer sich nicht verändern will, wird so wahrgenommen, wie er ist.
Und wenn sich eine Person aus dem Bekannten- bzw. aus dem Verwandtenkreis im Laufe einiger Jahre nicht verändert, so bleibt der Umgebung nur das Eine: diesen Menschen so zu akzeptieren wie er ist. Verwandte kann man schließlich nicht austauschen.
An dem Verhalten der Schwester, der jammernden Frau, ist an Hand der „Symptome“ festzustellen, dass sie sich nicht mehr ändern wird. Auf Wunder zu warten wäre unintelligent. Und das Ärgern über den anderen kostet nur eigene Zeit und Nerven.
Kommt man mit dem Chef oder den Angestellten nicht klar, so geht man getrennte Wege. Freundschaften zerfallen. Wie geht man jedoch mit den Familienmitgliedern um, die man nicht ausstehen kann bzw. die den eigenen Vorstellungen von perfekten Familienmitgliedern nicht entsprechen? Hört man dann einfach irgendwann auf miteinander zu sprechen, weil man einander gegenüber nicht offen und ehrlich sein kann?
Sich selbst sollte man immer treu bleiben. Eigene Ansprüche an sich selbst höher stellen und sich zu verbessern suchen. Und da man sich seine Verwandten nicht aussuchen kann, sollte man sie so nehmen, wie sie sind und ihnen gegenüber offen und ehrlich bleiben.
(vs)