Was wurde nur aus subtilem Horror, der sich langsam an einen heranschleicht und dann gegen Ende des Filmes eiskalt erwischt? Guillermo del Toro’s „Crimson Peak“ zeigt, dass es nicht so einfach ist, dem Zuseher einen interessanten, nicht allzu offensichtlichen twist (engl. Für „Wende“) zu bieten.
Die meisten Filme heutzutage sind flau und/oder vorhersehbar. Bei nahezu allem, das man heute im Kino/TV geboten bekommt, hat man das Gefühl, es in irgendeiner Form schon einmal gesehen zu haben. Selbstverständlich ist es nicht einfach, originelles (und/oder originales) Material zu finden und es ebenso originell umzusetzen. Jedoch befinden wir uns gerade an einem Punkt, in dem Film und Fernsehen von Remakes, Reboots, Comicbuch-Verfilmungen, Sequels, Prequels und Verfilmungen von Buchvorlagen regelrecht überschwemmt werden. Nicht, dass wir uns beschweren, immerhin sind die Endprodukte ja gewöhnlich sehr unterhaltsam.
Jedoch scheinen Horrorfilme ein ganz anderes Thema zu sein. Man kann die Kids von heute nicht mehr so leicht schrecken und schon gar nicht überraschen. Spannende und originelle Horrorfilme, die subtil genug sind, dass man nicht allzu früh die Überraschungswendung vorhersagen kann, sind so gut wie nicht mehr zu finden.
Der Name Guillermo del Toro bringt natürlich aufgrund dessen Größe eine gewisse Erwartungshaltung mit sich. Dessen neuestes Werk „Crimson Peak“ kann, was Set- und Kostümgestaltung betritt, locker mit dessen Regiearbeit-Vorgängern mithalten. Storytechnisch sieht die Sache da schon etwas anders aus.
Kurzinhalt:
England im 19. Jahrhundert: Die junge Autorin Edith Cushing (Mia Wasikowska) ist noch nicht lange mit Sir Thomas Sharpe (Tom Hiddleston) verheiratet, doch schon kommen ihr erste Zweifel, ob ihr so ungemein charmanter Ehemann wirklich der ist, der er zu sein scheint. Edith spürt immer noch die Nachwirkungen einer schrecklichen Familientragödie, und sie merkt, dass sie sich immer noch zu ihrem Jugendfreund Dr. Alan McMichael (Charlie Hunnam) hingezogen fühlt. Durch ihr neues Leben in einem einsamen Landhaus im Norden Englands versucht sie, die Geister der Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen. Doch das Haus – und seine übernatürlichen Bewohner – vergessen nicht so einfach...
Mit seinem neuesten Filmhighlight Crimson Peak bringt Guillermo del Toro das Genre auf den neuesten Stand. Das Herrenhaus, in das es ein exzellentes Ensemble um Mia Wasikowska, Jessica Chastain, Tom Hiddleston und Charlie Hunnam verschlägt, lebt, atmet – und fordert blutige Rache.
Die Handlung mutet vielversprechend an, doch scheint del Toro nicht in der Lage gewesen zu sein, deren Potential ausreichend auszuschöpfen. Der Trailer verspricht eine gruselige Geistergeschichte, gepaart mit historischem Setting, interessanten Charakteren und einem Touch Love Story. Mit der Tagline „Beware of Crimson Peak“, welche zugleich ein Zitat aus dem Trailer und dem Film selbst ist, soll der Film wohl Horror-Liebhaber anlocken.
Fraglos hat „Crimson Peak“ einige Horrorelemente und scheint sich prinzipiell als Horrorfilm zu bezeichnen. Doch um in unseren Augen als Horrorfilm durchzugehen, ist es eindeutig nicht gruselig genug und, vor allem in der ersten Spielfilmhälfte, zu schrill und bunt.
Es überkommt das starke Gefühl, dass der Film nicht genau weiß, was er ist. Sowohl hinsichtlich der Art der Erzählung, des Tempos und der Storyline selbst fühlt sich „Crimson Peak“ etwas seltsam oder unausgereift an. Die Redewendung „sich wie im falschen Film fühlen“ könnte dieses Gefühl nicht treffender beschreiben.
Die Kostüme sind, wie wir es bei Guillermo del Toro Filmen gewohnt sind, eindrucksvoll. Auch die Settings, auf denen sich die verschiedenen Handlungsstränge zutragen, sind bunt oder imposant, oder beides zugleich. Beeindruckend ist vor allem das Anwesen der Sharpes im Norden Englands, Allerdale Hall. Dieses bekam seinen Spitznamen „Crimson Peak“ durch die sich im winterlichen Schnee abzeichnenden blutroten Tonablagerungen rund um den riesigen herrschaftlichen Wohnsitz verliehen.
Bemerkenswert ist auch die hohe schauspielerische Leistung aller beteiligten Darsteller. Angefangen von der noch relativ jungen, australischen Schauspielerin Mia Wasikowska („Edith Cushing“) über Jessica Chastain („Lady Lucille Sharpe“) bis zu Tom Hiddleston („Sir Thomas Sharpe“) liefert jeder einzelne dessen Bestmögliches. Die einnehmenden Persönlichkeiten der Charakterdarsteller tragen dazu bei, dass man auch trotz des weit hergeholten Plots die Intentionen und Gefühle der Personen nachvollziehen kann.
Horror oder nicht, die Story selbst ist zumindest interessant. Doch so ganz holt der Film nicht alles, das an Potential vorhanden ist, heraus. Schauspielerische Leistung alleine kann zwar einiges retten, macht jedoch noch lange keinen guten Film.
Abgesehen davon ist die „Wende“ des Fantasy-Horrordramas (dies scheint die treffendste Genre-Bezeichnung zu sein) leider keine besondere Wende. Die Beziehung des Geschwisterpaares Lucille und Thomas zueinander wird bereits im ersten Drittel des Filmes mehr als deutlich. Die genauen Ausmaße der „Geschwisterliebe“ werden zwar noch nicht gänzlich offenbart, doch wird der Zuseher in die richtige Richtung gelenkt. Ob die „große Offenbarung“ am Ende des Filmes, die ja eigentlich keine mehr ist, absichtlich so offensichtlich war, erschließt sich uns nicht.
Nicht nur die inzestuöse Beziehung zwischen Lucille und Thomas erinnerte stark an Game of Thrones' Cersei und Jamie, auch Edith’s „Fenstersturz“ könnte glatt George R.R. Martins Romanen entnommen sein.
Selbst die Aufklärung des Mordes an der Mutter der beiden überraschte recht wenig, wenn man genug aufpasst und sich ein wenig mit Filmen auskennt.
Das Familiendrama ist perfekt, als die Schwester Lucille zu sehr auf ihren Bruder fixiert ist und sie vor lauter Eifersucht geradezu auf deren Schwägerin Edith, die für sie eine Rivalin darstellt, losgeht. Subtile Geschichtenerzählung sieht anders aus.
Nicht ein Handlungselement von „Crimson Peak“ erschien originell und schon gar nicht unerwartet. Schade. Das düstere Anwesen der Familie Sharpe aka Crimson Peak ist zumindest sehr imposant. Wohnen möchte man darin jedoch wohl eher nicht.
Wenn man ein Fan von außergewöhnlichen Kostümen und prachtvollen Schauplätzen ist, kommt man sicher auf seine Kosten. Wenn nicht, dann lieber Finger weg davon. Diejenigen unter uns, die sich einen Horrorfilm erwartet haben, mussten fraglos unbefriedigt und etwas fassungslos von dannen ziehen.
Dies lag offenbar an der PR-Maschinerie, die gerne einmal Filme in die falsche Schublade steckt. Ob es von Regisseur Guillermo del Toro beabsichtigt war, den Film als Horrorfilm anzupreisen oder die Public Relations Leute einfach nur einen schlechten Job gemacht haben, ist uns noch nicht aufgegegangen. Jedenfalls: Beware! Crimson Peak ist kein Horrorfilm.
Crimson Peak ist, wie von Tom Hiddleston in diversen Intweviews erklärt, in unseren Augen jedoch auch nicht als Liebesfilm tauglich.
Schauspieler Tom Hiddleston sehen wir indessen gerne weiter in Ihren Filmen, egal in welcher Form. Der war nämlich sein gewohnt charmant-betörendes Selbst. Die Inzest und Erbschleicherei mal ausgenommen.
(Doch manche Filme kann selbst ein Charme-Bolzen wie Tom Hiddleston nicht retten!)
Hier geht's zum deutschen Trailer.
CRIMSON PEAK
Besetzung: Mia Wasikowska, Jessica Chastain, Tom Hiddleston, Charlie Hunnam, Jim Beaver, Burn Gorman
Regie: Guillermo del Toro
Drehbuch: Guillermo del Toro, Matthew Robbins, Lucinda Coxon
Produktion: Thomas Tull, Jon Jashni, Guillermo del Toro, Callum Greene
Ausführende Produzentin: Jillian Share
Genre: Gothic Romance
Sabine Stenzenberger, 14.10.2015
Bildmaterial und Kurzinhalt: Legendary/ Universal Pict.